Chrysler Norseman Vor etwa 43 Jahren, in der Nacht des 25. Juli 1956 hielt das mit 1.134 Fahrgästen und 572 Crewmitgliedern besetzte Luxus-Passagierschiff Andrea Doria mit Volldampf auf New York zu. Der Kreuzer, benannt nach einem italienischen Admiral aus dem 16. Jahrhundert, war am 17. Juli von Genua aus in See gestochen und war über Cannes, Neapel und Gibraltar auf dem Wege in die USA. Während der letzten Nacht der beinahe bewältigten Atlantiküberquerung war zirka 50 Meilen vor Nantucket Island, vorgelagert der Küste von Massachusetts, Nebel eingefallen, dick wie Erbsensuppe. Die Passagiere konnten nicht einmal von der einen Seite des Schiffes zu anderen sehen. Der Kapitän, Piero Calamai, reduzierte die Geschwindigkeit der Andrea Doria und ließ alle 100 Sekunden das Nebelhorn betätigen. Er und die anderen Offiziere auf der Kommandobrücke überwachten sorgfältig den Radarschirm. Mittlerweile kreuzte von New York aus in östlicher Richtung die Stockholm, ein schwedisch-amerikanisches Schiff mit Kurs auf Kopenhagen und Göteborg. Auf der Brücke bemerkte der dritte Maat Ernst Carsten-Johannsen unvorhergesehen das Erscheinen der Andrea Doria auf dem bordeigenen Radargerät. Sofort wurde nach den Lichtern des anderen Schiffes Ausschau gehalten, aufgrund der Nebelbank jedoch ohne Erfolg. Plötzlich tauchte die riesige Andrea Doria unmittelbar vor der Stockholm aus dem Nebel auf. Es war unmöglich noch etwas gegen die bevorstehende Katastrophe zu unternehmen. Um etwa 23 Uhr 10 bohrte sich der verstärkte Stahlbug der Stockholm mit unvorstellbarem Getöse in die Steuerbordseite der Andrea Doria und riss 5 der 10 Decks auf, wobei 46 Passagiere getötet wurden. Auch auf der Stockholm gab es 5 Tote, da die Kabinen der Mannschaft im Bug des Schiffes lagen. Die Andrea Doria konnte sich noch 11 Stunden über Wasser halten, obwohl permanent Wasser eindrang. Während dieser Zeit eilten andere Schiffe, unter anderem die Ile de France, herbei und konnten sämtliche überlebenden Passagiere evakuieren. Am Vormittag des 26. Juli um 10 Uhr 09 versank der schwarze Rumpf der Andrea Doria endgültig in den Tiefen des Meeres. Wie konnte das geschehen? So ein Unglück schien ja fast unmöglich zu sein! Jedes Schiff hatte das Andere auf dem Radarschirm! Es stellte sich heraus, dass den 3. Maat der Stockholm die Schuld traf. Er dachte, dass sich das Radar auf der 15-Meilen-Skala befand, in Wahrheit jedoch war die 5-Meilen-Skala eingestellt. Ein tödlicher Fehler! Jedoch nicht alle Opfer waren menschlicher Natur. In einer hölzernen Verpackungskiste, vermutlich im Ladedeck Nr. 2 im Bug der Andrea Doria befand sich ein einzigartiges Automobil: Der Chrysler Norseman, eine von Virgil Exners Design-Studien für Chrysler von dem italienischen Karosseriebauer Ghia in Turin in Handarbeit gebaut. Das traumhafte Einzelstück sollte nach Amerika transportiert werden, erreichte sein Ziel jedoch nicht mehr. Einige Jahre später 1956, als der Norseman fertiggestellt wurde, hatten sich die Kosten bereits etwas erhöht, die Anforderungen an die Karosseure allerdings auch! Die Kosten für den Norseman bezifferte man damals bereits mit etwa 150.000 $ bis 200.000 $. Ein nettes Sümmchen, das Auto war aber auch außergewöhnlich. So hatte der Wagen weder A- noch B-Säule, sondern das Dach hatte Vorspannung und wurde von zwei dünnen Stahlstangen heruntergezogen. Im Falle eines Überschlages sollten die Stangen brechen und das Dach sollte ausfedern. Man sagte dem Norseman nach, dass sein Dach das Achtfache seines Eigengewichtes tragen konnte! Es lässt sich nicht mehr genau sagen wann die Entwicklung des Norseman begann, aber die ersten Fotos datieren vom 28. Oktober 1954 und davor wurden bereit erste verkleinerte Tonmodelle im Maßstab 1:4 hergestellt. Ein Modell wurde Ghia allerdings nicht zur Verfügung gestellt. Man verlangte ausdrücklich sich peinlichst genau an die Konstruktionszeichnungen zu halten. Das war nicht unbedingt die Vorgangsweise, die man bei Ghia gewohnt war. Üblicherweise kritzelte man seine ungefähren Vorstellungen auf die Rückseite eines Briefkuvertes und Ghia begann zu bauen. Aber die Automobilwirtschaft änderte sich langsam und Ghia musste sich wohl oder übel an die Zeichnungen gewöhnen. Ghia baute die Karosserie des Norseman aus Aluminium, eine Abkehr von den bisherigen “Idea Cars”, die aus Stahlblech geformt waren und die dadurch allerdings auch den Strapazen des “Showzirkus” besser gewachsen waren. Der Norseman maß 5,8 Meter Länge, war 2 Meter breit und nur 1,4 Meter hoch. Angetrieben wurde er von einem 331-cubic-inch-Hemi mit 235 PS. Das Getriebe war nichts besonderes. Es fand die übliche Power-Flite Zweigang-Automatic mit Drucktastensteuerung Verwendung. Die riesige Heckscheibe glitt auf Knopfdruck in das Dach hinein. Auch das Interieur war sehr futuristisch. Man stylte den Innenraum so wie man sich damals ein Raumschiff vorstellte. Das Armaturenbrett bestand aus einem breiten Prallpolster von dem die Instrumente, Bedienungselemente und das Radio herunterhingen. Man saß auf vier individuellen Ledersitzen, alle mit elektrischer Verstellung und automatisch aufrollenden Sicherheitsgurten. Die Rückseiten der Frontsitze waren mit Leuchtfarbe beschichtet, da man mit alternativer Innenbeleuchtung experimentierte. Über die Farbe des Chrysler Norseman ist man sich heute nicht mehr ganz einig. Manche Quellen, darunter auch Chrysler selbst behaupten, der Norseman wäre in zwei verschiedenen Grünmetallictönen lackiert und die Radkästen wären rot gewesen. Exner wollte das Auto silbermetallic haben, wobei auch ein Foto existiert auf dem das außergewöhnliche Fahrzeug in silbermetallic, schwarzem Dacheinsatz und mit roter Innenausstattung abgebildet ist. Zu guter Letzt gibt es einen zeitgenössischen Artikel über den Norseman in der italienischen Zeitschrift “Torino Motori”, in der über die Lackierung des Fahrzeuges als zweifarbig blaumetallic berichtet wurde. Das Unglück, welches den Norseman traf wurde vor Virgil Exner die ersten Tage geheimgehalten. Exner erlitt just am 25. Juli 1956, an genau dem Tag der Schiffskatastrophe einen Herzinfarkt und befand sich in der Intensivstation des William Beaumont Krankenhauses in Royal Oak, Michigan. Erst fünf Tage später wurde ihm die traurige Nachricht durch seine Frau, seinen Sohn und den damaligen Präsident von Chrysler schonend beigebracht. Heute liegt der Norseman in 571 Metern Tiefe am Grunde des kalten Atlantiks im Wrack der Andrea Doria. David Bright, ein Amateurtaucher, der seit 1986 bereits 93 Mal zum Wrack der Andrea Doria getaucht ist, hat auch das Ladedeck Nr.2 untersucht. Leider herrscht in diesem Bereich eine starke Strömung und durch dauernd aufgewirbelten Schlamm ist die Sicht besonders schlecht. Bright bestätigt, dass in dem betreffenden Laderaum ein Auto steht, obwohl er es nicht zu 100% als den Norseman identifizieren konnte. Ghia bestätigte zwar, dass das kostbare Fahrzeug nicht frei im Ladedeck sondern in einer Kiste aus Pinienholz verpackt auf seine Reise geschickt wurde, nach 41 Jahren im Salzwasser allerdings wäre das Holz ohnehin bereits verrottet. Auf die Frage wie das Auto in Deck Nr. 2 aussehe, gibt Bright an, dass alles völlig verrostet sei.
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